Dieses Gespräch fand am 7. November 1991 im Hotel "Vier Jahreszeiten" in München statt und wurde in der Wochenzeitung DIE ZEIT am 21. Februar 1992 abgedruckt. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von André Müller.
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Der vollständige Text ist erschienen und nachzulesen in dem Buch "Ich riskiere den Wahnsinn", Kiepenheuer & Witsch, erhältlich in jeder guten Buchhandlung.
Sie sind Deutschlands beliebtester Komiker. Sie ärgern keinen. Sie ecken nicht an. Die Freude, die Sie verbreiten, ist ungetrübt.
Nun, das mag daran liegen, dass man die Liebenswürdigkeit, die ich ausstrahle, versehentlich auf das, was mitgeteilt wird, überträgt.
Stört es Sie, wenn Sie als harmlos eingestuft werden?
Mich stört, wenn etwas nicht stimmt. Deshalb korrigiere ich es gelegentlich. Aber das soll jetzt nicht eitel klingen. Ich möchte nicht abgründig erscheinen, nur weil das Abgründige für bedeutsam gehalten wird. Ich bin Humorist. Die komische Form versöhnt auch mit einem nicht heiteren Inhalt.
In Ihrem letzten Film, "Pappa ante portas", spielen Sie einen pensionierten Abteilungsleiter, dessen Ordnungssucht sich zum Wahnsinn steigert. Er bestellt massenhaft Senf im voraus, wirft das Bettzeug zum Fenster hinaus und verwandelt die eheliche Wohnung in ein Zeitungsarchiv.
Ja, der Mann ist eigentlich geisteskrank. Da verselbstständigt sich ein Ordnungssinn, der keine Grenzen mehr kennt. Der Versuch, das Chaos in den Griff zu bekommen, endet in einem neuen, noch schlimmeren Wahnsinn.
Eine Horrorgeschichte.
Gewiss. Die Leute haben ja Spaß am Horror.
Der Philosoph Bergson hält das Lachen für ein Korrektiv der Gesellschaft gegenüber dem Außenseiter. Durch das Gelächter werde er gleichsam in die Gemeinschaft zurückgeholt.
An diese Theorie glaube ich nicht, denn Außenseiter haben mich nie interessiert. Der Einzelne, den ich zeige, steht stellvertretend für das Verhalten der Mehrheit. Ich bekomme massenhaft Briefe von Leuten, die fragen, woher ich wüsste, was bei ihnen zu Hause geschieht. Das Lachen über mich ist ein Lachen des Wiedererkennens.
Ich kenne niemenden, der beim Saubermachen das Bett aus dem Fenster wirft.
Gut, ich übertreibe natürlich.
Ja, und dadurch wird die Figur, die Sie spielen, zum Außenseiter.
Nein, denn zugrunde liegt der alltägliche Irrsinn, den jeder kennt. Wenn ich zeige, wie ein Bürovorsteher 500.000 Bögen Schreibpapier und tonnenweise Radiergummis kauft, weil es so günstiger ist, dann demonstriere ich an dieser Figur die Auswüchse des heutigen Managements, das meint, immer und überall das Äußerste herausholen zu müssen. Es ist Wahnsinn, aber der Wahnsinn ist allgemein. Jeder weiß, dass Abgase die Umwelt vergiften, aber wenn es ökonomisch günstig erscheint, werden eben noch mehr Autos gebaut. Man sagt, die Menschheit prosperiere nur durch die Erhöhung der Umsatzzahlen. Das nennt man Fortschritt. Aber das kann auf die Dauer nicht funktionieren. Das muss eines Tages zum Kollaps führen.
Was müsste nach Ihrer Meinung geschehen, um den Untergang aufzuhalten?
Ich wünsche mir, dass an irgendeinem Sonntag die Autoschlange zum Brenner 150 Kilometer lang ist, oder dass in einer Stadt der Verkehr nur noch steht. Ich möchte, dass etwas passiert, das man als Rotlicht auffassen müsste. Ich verreise nie mit dem Auto.
Das sollten Sie aber tun, damit wir Ihrem Traum vom ewigen Stau etwas näherkommen.
So gesehen, ja. Ich bin im Kleinen vielleicht immer noch Optimist, aber im Großen schon längst nicht mehr. Ich glaube, dass wir unwiderruflich verloren sind. Möglicherweise ist es ja so gewollt. Der Mensch hat seine Schuldigkeit getan, der geht jetzt unter.
Der Mensch kann dann immer noch lachen.
Über den eigenen Untergang?
Ja, aus Verzweiflung.
Sie bringen mich auf eine Idee. Man müsste versuchen, dem Grauen in einer nicht mehr bewohnbaren Welt etwas Komisches abzugewinnen. Im Museum of Natural History in New York steht in der Eingangshalle eine große Spirale, auf der die Entwicklung der Erde vom Urknall bis heute dargestellt ist. Wenn man die Erdgeschichte mit der Dauer eines Tages vergleicht, dann gibt es den Menschen erst eine Sekunde. Also kaum tritt er auf, schon hat er alles ruiniert. Er ist da, freut sich, hat einen Kopf, er kann denken, er ist der einzige, der sich selbst sehen kann, er hat Humor, ganz toll, und im nächsten Augenblick ist er schon wieder weg. Das ist natürlich grotesk. Darüber kann man wirklich nur lachen.
Sigmund Freud stellt den Humor mit der Neurose auf eine Stufe. Beides diene dazu, sich dem Leid zu entziehen.
Ja, es ist durchaus möglich, dass der Grund für mein humoristisches Empfinden eine mangelnde Bereitschaft zum Leiden ist. Die Frage ist nur, was war zuerst da, der Humor oder das Leiden.
Sie haben während des Zweiten Weltkriegs vier Jahre an der Ostfront gekämpft. Hatte der Krieg auch komische Seiten?
Ja, selbstverständlich. Komik entsteht immer durch die Distanz. Ich hätte meinen Beruf nie ergreifen können, wenn ich nicht die Begabung hätte, mich selbst und das, was um mich geschieht, distanziert zu betrachten.
Auch in der Gefahr?
Auch in der Gefahr, natürlich. Sicher war der Krieg die furchtbarste Erfahrung in meinem Leben. Aber ich weiß, dass auch sehr oft sehr gelacht worden ist. Es wird ja im Krieg nicht nur gestorben. Es gibt auch den Alltag, der nicht nur entsetzlich ist. Ein Beispiel: Ich war vier Jahre verlaust, von oben bis unten. Als sich ein junger Rekrut bei mir meldete, frisch aus der Heimat, ich war Offizier, fragte ich ihn: Haben Sie schon mal eine Laus gesehen? Er sagte: Nein. Darauf griff ich mit einer Hand hinten in meinen Kragen, holte eine Laus heraus und sagte: Das ist eine Laus, mit diesem Tier werden Sie sich nun eine Weile beschäftigen müssen.
Sind Sie gerne Soldat gewesen?
Nein, aber ich hielt es für nötig. Ich glaubte, dass ich das deutsche Vaterland zu verteidigen hätte. Ich war mir nicht klar darüber, dass ich ein Handlanger brauner Verbrecher war.
Spielte nicht auch die Abenteuerlust eine Rolle?
Also, sagen wir so: Ein Achtzehnjähriger, der in den Krieg ziehen musste, hätte all das Schreckliche, das ihm bevorstand, psychisch und physisch nicht überstanden, wäre nicht auch der Gedanke des Abenteuers dabei gewesen. Man muss zum Krieg, wenn er nicht zu vermeiden ist, eine zwar nicht positive, aber zumindest desperate Einstellung haben. Man stellte sich vor, man wäre im Wilden Westen.
Gibt es etwas, worüber selbst Sie nicht lachen können?
Oh ja, das gibt es. Ich bin jetzt achtundsechzig. Ich trete in meine letzten Jahre ein. Da beschäftigt mich in steigendem Maße der Gedanke, dass es mich bald nicht mehr geben wird, und dies ist ganz sicher nicht komisch.
Was denn sonst?
Der Tod, auch der eigene, ist für mich eine ernste Sache. Das sage ich nicht, weil ich mich für besonders bedeutend halte, sondern weil das auch religiöse Themen berührt. Ich bin im Glauben erzogen worden. Ich weiß, andere machen Witze über die Kirche. Ich mache das nicht.
Thomas Bernhard sagt: Es ist alles komisch, wenn man an den Tod denkt.
Ja, es wird alles sehr klein.
Wo liegt die Tragik?
Ich denke auch an die Umstände, die man als Toter den Überlebenden macht. Ich habe schon einige Nachlässe durchsehen müssen. Schrecklich, was da an Unordnung übrig bleibt. Man müsste vorher alles geregelt haben.
Das haben Sie doch sicher getan. Hat Ihnen schon jemand gesagt, dass Sie auch privat ziemlich komisch sind?
Es ist schon vorgekommen. Das liegt aber daran, dass man mich aus dem Fernsehen nur komisch kennt und deshalb alles, was ich sage, mit Komischem in Verbindung bringt.
Sie brauchen nur aufzutreten, schon lachen die Leute.
Nein, nein, so ist es nicht. Das Herstellen der Komik ist schwere Arbeit. Es ist Quälerei. Das sind nicht Einfälle, mit denen man spielen kann wie mit Bällen. Da kommt es auf Rhythmus und Genauigkeit an. Was dann Freude macht, ist das Ergebnis und die Wirkung, die man erziehlt.
Welche Wirkung?
Ich höre von Zuschauern, die etwas von mir gesehen haben, sie könnten nun nicht mehr so sein, wie sie vorher waren. Das lässt mich hoffen, denn es zeigt, dass man den Bürger doch noch erreichen kann.
Worüber haben Sie sich in letzter Zeit noch geärgert?
Es treibt mir die Schamröte ins Gesicht, wenn ich an die deutsche Vereinigung denke, ich meine, wie das vollzogen wurde. Annexionen, wohin man sieht, es ist unglaublich. Ich kenne eine Menge Leute, die drüben leben. Es ist eine Schande, dass man nicht wahrhaben will, was es dort an menschlichen Qualitäten gibt, von denen wir sehr viel lernen könnten. Offenbar geht es nur darum, diesen Menschen auf schnellstem Weg zu den gleichen Segnungen zu verhelfen, wie wir sie haben. Das hatte ich nicht erwartet. Ich hatte gedacht, man würde bereit sein zu teilen.
Der Mensch ist nicht so.
Nein, ich weiß.
Sie wünschen sich mehr Nationalgefühl?
Ja, nein, also ich stamme aus einer Familie, in der das schon eine Rolle spielte. Ich bin Preuße, was ja heute einen schrecklich negativen Beigeschmack hat. Für mich war die deutsche Teilung sehr unnatürlich. Dass ein Land, ob man es nun mag oder nicht, auch Heimat sein kann, dass es trotz der geschichtlichen Schuld, die es auf sich geladen hat, ein Zuhause bleibt, das können manche offenbar nicht begreifen.
Merkwürdig.
Was?
Worüber Sie sich erregen so kurz vor dem Untergang.
Ja, Herrgott noch mal, soll ich mir nun das Leben nehmen? Wenn man die Tatsache, dass alles vergeblich ist, zum Ausgangspunkt seiner Entscheidungen macht, dann geht gar nichts mehr. Es geschieht jede Sekunde so viel Entsetzliches auf der Welt. Das darf man auch nicht ständig vor Augen haben. Sonst könnte man den ganzen Tag nur noch schreien. Aber Sie schreien nicht. Sie erfreuen sich an einem kühlen Bier, obwohl Sie wissen, dass in der Sahara im Moment viele Leute sehr durstig sind.
Meine Genussfähigkeit ist stark eingeschränkt.
Also, ich lebe trotz allem gern, und ich möchte, wenn ich nicht gaga bin, noch lange leben. Ich weiß, es ist viel interessanter zu sagen, ich könnte sofort aus dem Leben scheiden, mir ist alles egal, ich verzweifle am Dasein. Aber so interessant bin ich nicht, tut mir leid.
Beten Sie manchmal?
Ja, wenn mich eine große Sorge plagt, warum nicht? Es ist eine Hilfe. Aber ich möchte das nicht in den Vordergrund rücken.
Fällt es Ihnen schwer, Ihre Gefühle zu zeigen?
Mag sein, ja. Ich bin wie jeder Mensch durch die Erziehung geprägt. Mein Vater wünschte, dass man die Gefühle unter Kontrolle halte. Ich durfte ihn zum Beispiel nicht küssen. Er sagte, Männer küssen sich nicht. Davor hatte er einen gewissen Horror. Das habe ich akzeptiert. Ich dachte, aha, so ist das wohl.
Ihr Vater war Berufsoffizier.
Ja, bis 1936. Dann hatte er einen Verkehrsunfall und bekam einen Direktorenposten in der Privatwirtschaft.
Hat er Ihnen Disziplin beigebracht?
Ich spreche lieber von Selbstbeherrschung, das klingt weniger militärisch. Er lehrte mich Umgangsformen. Gehen ließ er sich nie. Er war eine sehr würdevolle Erscheinung. Ich habe ihn selten ohne Krawatte gesehen und niemals in Badehose. Doch zugleich war er ein Mensch, der sich totlachen konnte über seine Würde und die Komik, die mit ihrem Misslingen verbunden war. Ich werde oft gefragt, warum die Akteure in meinen Filmen nicht jünger sind. Der Grund ist, dass das Scheitern eines jungen Menschen nicht komisch ist. Es ist normal, schlimmstenfalls tragisch. Erst wenn die Würde des Alters, der Position und all dessen, was sich so schrecklich aufbaut im Laufe der Jahre, hinzukommt, entsteht die komische Wirkung.
Wie war das Verhältnis zu Ihrer Mutter?
Meine Mutter starb, als ich sechs Jahre alt war. Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen. Später heiratete mein Vater ein zweites Mal. Aber da war das für meine Entwicklung Entscheidende schon passiert.
Ein häufig wiederkehrendes Thema in Ihrer Arbeit ist der zur Groteske gesteigerte, meist katastrophal endende Ehestreit.
Ja, ich bin der Meinung, dass Mann und Frau nicht zusammenpassen.
Warum nicht?
Das habe ich noch nicht herausgefunden.
Sind Frauen sanftmütiger?
Das ganz bestimmt nicht. Ich bin überzeugt, dass die Frauen, wenn ihre jahrtausendealte Benachteiligung dem Mann gegenüber erst einmal überwunden ist, all die schlechten Eigenschaften, die man heute den Männern zuschreibt, genauso entwickeln.
Ihr bislang bitterster Text ist ein Adventsgedicht, in dem eine Försterin ihren Gatten erschießt, die Leiche in Stücke hackt und als Weihnachtsbraten an Arme verteilt.
Ja, dieses Gedicht hatte zur Folge, dass ein niederbayerischer Volksvertreter bei seinem Landesbischof vorstellig wurde. Es kam sogar zu einer Anfrage im Bundestag.
Haben Sie Angst vor Frauen?
Eigentlich nicht. Ich liebe Frauen. Ich glaube nur nicht, dass sie die besseren Menschen sind. Ich erwarte mir von den Frauen nicht die Errettung vor dem Weltuntergang.